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Erfolgreiche Elternversammlung in Iloshon – WeCare-Association im Fokus

Besuch in Iloshon im Juli 2023: Erfolgreiche Elternversammlung und positive Entwicklungen

In Iloshon, einem von uns regelmässig besuchten Ort in Kenia, hat kürzlich eine erfolgreiche Elternversammlung stattgefunden. Der neu angekommene Schuldirektor Mr. James lud Agnes Gitonga, Mitglied der WeCare-Association, erstmals zu diesem wichtigen Treffen ein. Die Versammlung fand auf Englisch statt und behandelte verschiedene Themen, darunter die Arbeit der WeCare-Association, die Problematik von FGM und Teenager-Schwangerschaften sowie die Leistung der Mädchen. Zudem wurden Herausforderungen wie gestiegene Lebensmittelpreise und der Bedarf an einem Drucker für die Schule diskutiert.

WeCare-Association setzt sich gegen FGM und Teenager-Schwangerschaften ein

Die Mitglieder der Elternversammlung äußerten sich äußerst positiv über die Arbeit der WeCare-Association. Insbesondere die Themen FGM (weibliche Genitalverstümmelung) und Teenager-Schwangerschaften wurden intensiv diskutiert. Die Versammlung war sich einig, dass diese Probleme bekämpft werden müssen, um den Mädchen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Neue Anforderungen für das Programm und steigende Lebensmittelpreise

Ein weiteres Thema der Versammlung war die Leistungsbereitschaft der Mädchen, die für eine Aufnahme in das Programm der Schule erforderlich ist. Es wurde beschlossen, dass neue Mädchen sowohl über eine gewisse Leistungsbereitschaft als auch aus armen Verhältnissen stammen müssen. Zudem wurde aufgrund der stark gestiegenen Lebensmittelpreise eine Erhöhung der Kosten für den Aufenthalt im Nasaru Wohnheim diskutiert. Dieses Thema wird voraussichtlich in Zukunft zu weiteren Diskussionen führen.

Höherer Verwaltungsaufwand erfordert einen Drucker

Aufgrund des neu eingeführten Curriculums der kenianischen Regierung benötigt die Schule einen Drucker, um den gestiegenen Verwaltungsaufwand bewältigen zu können. Dies wurde von der Schulleitung während der Versammlung angesprochen und wird in naher Zukunft umgesetzt.

Chief Petro als gewählter Vertreter gegen FGM und Teenager-Schwangerschaften

Chief Petro, der gewählte Vertreter der Gemeinde, sprach sich ebenfalls gegen FGM und Teenager-Schwangerschaften aus. Seine Anwesenheit bei der Elternversammlung unterstreicht die Bedeutung dieser Themen für die Gemeinschaft.

Reparatur des Eingangstors und Fertigstellung des Zauns

Das Eingangstor zur Schule wurde von Elefanten auf der Suche nach Wasser zerstört. Die Schule plant nun, das Tor mit Hilfe der Gemeinde zu reparieren. Ein weiteres Thema war der noch immer nicht vollendete Zaun. Das benötigte Material ist bereits vor Ort und die Versammlung hat beschlossen, einige Männer zu mobilisieren, um den Zaun fertigzustellen.

Wertschätzung der Lehrer und Instandhaltungsarbeiten

Die Eltern äußerten ihren Unmut darüber, dass die Lehrer bei Besuchen in Iloshon nützliche Geschenke wie Reis und Ugali Mehl erhalten. Agnes Gitonga konnte jedoch erklären, dass diese Wertschätzung den Lehrern gegenüber zum Wohle ihrer Kinder erfolgt. Zudem wurden positive Entwicklungen in Bezug auf die Instandhaltungsarbeiten an den Abflussrohren der Toiletten und die Ordnung in den Schlafsälen des Wohnheims erwähnt.

Installation einer Regenrinne geplant

Beim Bau des Wohnheims wurde auf die Installation einer Regenrinne verzichtet, was bei Regen zu einer Stagnation des Wassers im Innenhof führt und das wertvolle Wasser nicht auffängt. Um dieses Problem zu lösen, ist geplant, die beiden Firmen, die Regenrinnen anbieten, bei einem nächsten Besuch in Kenia Ende Oktober 2023 zu treffen. Dort sollen die Möglichkeiten und Kosten für die Installation einer Regenrinne besprochen werden.

Stagnierendes Wasser im Innenhof von Nasaru

Abschließend lässt sich sagen, dass der Besuch in Iloshon äußerst positiv verlief. Die Elternversammlung war erfolgreich und es wurden wichtige Themen wie FGM, Teenager-Schwangerschaften und die Leistung der Mädchen diskutiert. Die WeCare-Association setzt sich aktiv gegen diese Probleme ein. Zudem wurden Herausforderungen wie gestiegene Lebensmittelpreise und der Bedarf an einem Drucker für die Schule angesprochen. Die Reparatur des Eingangstors und die Fertigstellung des Zauns sind weitere Projekte, an denen gearbeitet wird. Die Wertschätzung der Lehrer und die positiven Entwicklungen in Bezug auf die Instandhaltungsarbeiten sind ebenfalls erwähnenswert. In Zukunft wird die Installation einer Regenrinne geplant, um das Problem des fehlenden Wasserabflusses zu lösen und das wertvolle Wasser zu sammeln.

Der Besuch in Iloshon zeigt, dass die Gemeinschaft engagiert ist und positive Veränderungen vorantreibt. Die WeCare-Association spielt dabei eine wichtige Rolle und setzt sich für die Bildung und das Wohlergehen der Mädchen ein. Mit weiterer Unterstützung und Zusammenarbeit können noch mehr positive Entwicklungen in Iloshon erreicht werden.

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Was passiert mit deiner Spende? – Lucys GeschichteFeatured

Wer ist Lucy?

Lucy ist ein 15jähriges Mädchen aus Mperrishi – einer sehr entlegenen Massai Siedlung. In Mperrishi ist die Zeit stehen geblieben und die Menschen dort leben vollkommen abgeschieden von der modernen Zivilisation, d.h. sie haben keinen Zugang zu fliessendem Wasser oder zu einer Toilette, es gibt keinen Strom und auch keine medizinische Versorgung.

Lucy hat in den letzten zwei Jahren die Schule nur selten besucht, da sie permanent unter Schmerzen litt. Sie hat sich vor ca. zwei Jahren den Fuss gebrochen, wobei dieser Bruch nicht medizinisch behandelt wurde und nur nach Massai Technik mit Ästen gestützt wurde. Dies führte zu einer fehlerhaften Schliessung des Bruches einerseits und andererseits zu einer chronischen Entzündung der Wunde am Fuss.


Wie haben wir Lucy kennengelernt?

Als sich Lucy an uns wandte, trug sie zwei unterschiedliche Schuhe, da ihr linker Fuss aufgrund der starken Schwellung nur in einen offenen Schuh passte.
Die Mutter von Lucy ist vor ein paar Jahren gestorben und Lucy lebt bei ihrer Grossmutter. Als der stark entzündete Fuss von Lucy mit der Zeit einen stechenden und fauligen Geruch entwickelte, wollten die Dorfbewohner nichts mehr mit ihr zu tun haben, da sie sagten Lucy rieche nach Tod und würde bald sterben.

Rettung von Lucys Fuss

Unser lokaler Kontakt, Agnes Gitonga, hat den Transport von Lucy in ein Krankenhaus in Nairobi organisiert, wo der Arzt im ersten Moment nicht sicher war, ob es sich um eine Krebserkrankung handelt oder nicht. Nach einer bangen Woche lag der Befund vor und es wurde eine schwere chronische Entzündung mit gutartiger Ulzeration diagnostiziert. Allerdings machte der Arzt sofort klar, dass eine Rückkehr in ihr Dorf mit der offenen Wunde unmöglich sei, da dort die notwendige Hygiene für das Wechseln des Verbandes nicht gegeben ist.


Agnes hat Lucy daher bei einer ihr bekannten Frau untergebracht und mit dem Notwendigsten versorgt: Lucy hat Kleidung und Nahrung bekommen.

Kulturschock für Lucy

Abgesehen davon, dass Lucy nun endlich einen Hoffnungsschimmer auf eine schmerzfreie Zukunft hat und definitiv nicht ihren Fuss verlieren wird, gab es für Lucy in diesem Monat eine Menge an Dingen, die sie zum ersten Mal erlebt bzw. gesehen hat:

  • Besuch in Nairobi.
  • Aufenthalt in einem Krankenhaus.
  • Verwendung einer Toilette, wobei sie im ersten Moment nicht wusste, wie diese zu benützen sei.
  • Licht, das man ein – und ausschalten kann – die erste Begegnung mit elektrischem Strom.
  • Sie hat zum ersten Mal Wurst und Chips gegessen, wobei sie zuerst vor allem bei der Wurst sehr skeptisch war, da ihr Aussehen nicht ihrer Vorstellung von Fleisch entsprach.

Zusammenfassend, ist es keine Übertreibung zu sagen, dass Lucy einen regelrechten Kulturschock erlitten hat. Agnes wird sie nun auch mit Schulbüchern versorgen, damit sie die Zeit sinnvoll nützen kann. Darüber hinaus wird Agnes mit ihrer Grossmutter sprechen und versuchen sie davon zu überzeugen, dass Lucy in das Nasaru Masai Girls Learning Center geschickt werden kann, um sie beim Aufholen des verpassten Schulstoffes zu unterstützen und vor allem vor FGM zu schützen.

Wie geht es weiter mit Lucy?

Die Rettung des Fusses von Lucy hat bis jetzt ca. 2.000 SFR gekostet. Dies ist insofern interessant, als auch in der westlichen Welt in den letzten Jahren immer wieder die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens aufgetaucht ist. Was ist ein Fuss wert?

Obwohl es Lucys Fuss schon viel besser geht, wird sie noch bis zur vollständigen Heilung der Wunde in Nairobi bleiben müssen.


Wir werden Lucy auf jeden Fall weiter unterstützen, brauchen dafür aber Eure Hilfe. Wir suchen dringend nach einem Paten für Lucy.


Interessenten melden sich bitte unter:


hello(at)wecare-association.com

Wir möchten nochmals darauf hinweisen, dass Spenden an die WeCare-Association zu 100% bei den Empfängern ankommen. Alle Ausgaben für Administration und Marketing werden vollumfänglich von uns persönlich und privat getragen!


Für Spenden an die WeCare-Association bitte folgende Kontonummern verwenden:
WeCare-Association
Credit Suisse AG
CH – 8070 Zürich
IBAN: CH92 0483 5212 0106 4100 0 (Spenden in CHF)
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Swift Code: CRESCHZZ80A

DANKE!

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FGM – sprechen wir darüber

Ich hatte gestern die Ehre anlässlich eines monatlichen Talks von Teammitgliedern von Nokia Brazil unsere Projekte und Aktivitäten in Kenia zu präsentieren.
Ich sprach über unsere Zusammenarbeit mit Agnes Gitonga mit dem Ziel Frauen und Mädchen in abgeschiedenen Dörfern über die Gefahren und Konsequenzen von FGM (weibliche Genitalverstümmelung) aufzuklären. Wir zeigten Bilder von unserem Nasaru Learning Center for Masai Girls und erzählten, wie es zu seinem Bau kam.

Opening of the Nasaru Learning Center for Masai Girls 2019
Boarding girls at Nasaru supported by WeCare-Association
Vocational training for the girls by Lilian

Dieses Schülerwohnheim entstand auf Anfrage der Lehrerschaft der Iloshon Primarschule, da viele Mädchen in den höheren Klassen aufgrund von Schwangerschaft die Schule verlassen mussten. Schüler und Schülerinnen der Iloshon Primarschule müssen täglich einen Schulweg von bis zu 10 km bewältigen. Dies stellt für pubertierende Mädchen ein grosses Risiko für eine unerwünschte Schwangerschaft dar.

Soziale Kontrolle durch das Wohnheim

Die Schülerinnen im Wohnheim haben nicht nur mehr Zeit zum Lernen, sondern auch einen gewissen Schutz vor FGM, da die Schule eine soziale Kontrolle ausführt. Schülerinnen, denen die unteren Zähne abgefeilt wurden als Vorbereitung auf FGM können dort leichter identifiziert werden. FGM ist ein Initiationsrituals für Massai Mädchen und offiziell verboten. Dieses Ritual markiert das Ende der Kindheit und den Übergang vom Kind zur Frau. Als Frauen können sie dann schwanger werden und verheiratet werden, was das Ende ihrer Schulkarriere bedeutet. Dadurch wird ein Teufelskreis aus Analphabetismus und Armut in Gang gesetzt.

Grosse Anteilnahme

Die Anteilnahme der Teammitglieder am Schicksal dieser Mädchen war sehr gross. Die Tochter eines Teammitglieds hat ein Schulprojekt über die Massai gemacht und herausgefunden, dass es im Kajiado County eine Gruppe von jungen Massais gibt, die sich dafür einsetzt FGM durch eine nicht invasive Feier mit Büchern als Geschenk an das Mädchen zu ersetzen. Diese Initiative wurde durch die Organisaton PLAN International ins Leben gerufen. Da sich die Schulen, mit denen wir arbeiten in der gleichen Gegend befinden, werden wir nun versuchen lokal mit dieser Gruppe Kontakt aufzunehmen.

Wir nehmen auch noch etwas ganz Wichtiges mit aus diesem Gespräch, nämlich dass man über FGM und die Armut dieser Gemeinschaften in abgelegenen Gebieten sprechen muss.
Vielen herzlichen Dank an alle teilnehmenden Nokia Team Mitglieder und vor allem an Vanessa Iglesias für die Einladung!

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Reisebericht Kenia 2021Featured

Besuch der laufenden Projekte in Kenia

Nach zwei Jahren konnte wir im Oktober 2021 das erste Mal wieder nach Kenia reisen, um dort die laufenden Projekte zu besuchen.
Da Swiss derzeit den Direktflug nach Nairobi nicht durchführt, ging es über Frankfurt nach Nairobi. Nach einer ruhigen Nacht im Flughafenhotel wurden wir, d.h. Marcia und ich, dort von Agnes Gitonga und ihrem Bruder James abgeholt.

Rehoboth Learning Center for Kings & Queens in Noonkopir

Dann ging es nach Kitengela, wo wir uns ins dortige Einkaufszentrum begaben, um für die Kinder im Rehoboth Center und für die Schule in Mpirrishi einzukaufen. Auf unserer Einkaufsliste standen unter anderem Äpfel, Kekse, Hula-Hoop-Reifen, Springseile, Zucker, Salz, Öl zum Kochen, Binden und Seife.
Danach ging es direkt in das Rehoboth Learning Center for Kings&Queens in Noonkopir, einem Elendsviertel von Kitengela. Diese Schule gilt als Privatschule, wobei sie aber hier genau das Gegenteil von europäischen Privatschulen ist, nämlich eine Schule für arme Kinder, deren Eltern sich den Besuch der öffentlichen Schule nicht leisten können. Dort wurden wir mit verschiedenen Vorstellungen der einzelnen Klassen sehr herzlich begrüsst.


Anhand dem Rehoboth Learning Centre sieht man ganz deutlich, wie gut Hilfe von aussen wirken kann. Im «Lehrerzimmer» sind Benimmregeln aufgestellt, die alle Schüler verinnerlicht haben. Das Wichtigste aber ist, dass man in dieser Schule – und das ist in dieser Gegend eher die Ausnahme als die Regel – auf das Schlagen der Schüler verzichtet.


Die Schule für derzeit 160 Schüler hat nur sehr begrenzt Raum und Ressourcen zur Verfügung. Aber man merkt, dass insgesamt eine positive und freundschaftliche Atmosphäre herrscht. Da in der Zwischenzeit der Lehrplan von der kenianischen Regierung umgestellt wurde, haben wir auch dieses Mal wieder Schulbücher für die Schule gespendet.

Mpirrishi Primary School

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Oltepesi zur Mpirrishi Primarschule, die eigentlich «nur» 104 km von Kitengela entfernt ist. Ein Weg dauert drei Stunden, da insbesondere die letzten 30 km nicht wirklich mehr als Strasse zu bezeichnen sind und wir uns teilweise fragten, ob wir es überhaupt dorthin schaffen würden. Und es war noch dazu alles trocken! Für die Menschen in und um Mpirrishi gibt es nur die Möglichkeit sich einen sogenannten Picky Boy, d.h. einen Motorradfahrer, zu bestellen, um z. B. in die nächstgelegene Krankenstation zu kommen. Der Preis für die Hin – und Rückfahrt beträgt 12.000 KES, d.h. umgerechnet ca. 120 $. Zum Vergleich: eine Köchin verdient ungefähr 60 $ im Monat.
Wie problematisch das in der Realität tatsächlich ist, das sollten wir bereits kurze Zeit später lernen.
Agnes und ihre Tochter Karen, waren bereits mehrfach in Mpirrishi und haben sich dort massiv gegen die zwar verbotene aber nach wie vor praktizierte weibliche Genitalverstümmelung eingesetzt. Das war allerdings nur möglich, da Manuel, der Schuldirektor offen dafür war. Es ging also darum, die Stimmung bei den Eltern und bei den Schülern zu erkunden, und vor allem auch die von uns unterstützten Mädchen, die Ende 2020 verstümmelt wurden, persönlich kennenzulernen. Und hier wurden wir Zeugen einer unglaublichen Aufführung. Vor versammelter Elternschaft, Dorfältesten, Lehrern und Schülern bereitete sich die Gruppe der Mädchen auf ihre Aufführung vor. Mir stockte der Atem als ich sah, dass ein Mädchen sich Plastikhandschuhe überstreifte. Ich ging näher und begann zu filmen, und tatsächlich: diese unglaublich tapferen Mädchen führten das auf, was sie selbst vor wenigen Monat traumatisiert hatte, nämlich ihre Verstümmelung. Das war eine der intensivsten Erfahrungen, die ich – und nicht nur ich – sondern auch Marcia, Agnes und ihre Tochter je erlebt haben. Uns allen standen Tränen in den Augen.


Im Anschluss an den «offiziellen» Teil des Treffens, hatten wir eine Zusammenkunft mit den Mädchen geplant. Auf dem Weg dahin zeigte uns Agnes die «Beschneiderin», eine alte Frau, deren Broterwerb die Durchführung von Genitalverstümmelung ist. Selbst sie war unglaublich berührt von der Aufführung der Mädchen und versprach spontan, die Rasierklinge nicht mehr zu verwenden. Damit wir diese Frau aber tatsächlich in Zukunft von dieser Praxis abhalten können, müssen wir dafür sorgen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch einen alternativen Job verdienen kann.
Auf einmal kam Marcia ganz aufgeregt zu mir und zeigte mir ein kleines Mädchen, welches sich vor ca. 2 Wochen beim Spielen am Handgelenk verletzt hatte. Der Unterarm des Mädchens war mit einem Stofftuch fest bandagiert worden und die Hand des Mädchens war stark angeschwollen. Wir brachten die Mutter des Mädchens nach einigen Diskussionen dazu, den Verband zu entfernen und unser Angebot, sie und ihre Tochter mit unserem Fahrer in die nächstgelegene Krankenstation bringen zu lassen, anzunehmen. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, welche furchtbaren Konsequenzen die weibliche Genitalverstümmelung hat: Sie führt oft auch zu Analphabetismus. Wäre das Mädchen nicht medizinisch versorgt worden, dann hätte sie mit grosser Wahrscheinlichkeit ihre Hand verloren, was wiederum dazu geführt hätte, dass man sie als von bösen Geistern besessen angesehen hätte.


Auf dem Weg zum Treffen mit den Mädchen begegneten uns zwei 23jährige Frauen, die je bereits 4 Kinder haben, und über die Agnes in Erfahrung gebracht hatte, dass sie sich demnächst verstümmeln lassen wollen, worauf wir sie dann sofort zu unserem Treffen mit den Mädchen eingeladen haben.
Die Aussagen der Mädchen waren alle gleich: Wenn sie gewusst hätten, was auf sie zukommt, dann hätten sie niemals eingewilligt und sie sind alle bereit, alles zu unternehmen, um ihre Schwestern und anderen Mädchen und jungen Frauen diese furchtbare Prozedur zu ersparen. Einige von diesen Mädchen sind so stark traumatisiert, dass sie gar nicht darüber sprechen können.

Die beiden Frauen hörten interessiert zu, nahmen die Schilderungen der Mädchen aber nicht wirklich für bare Münze. Gefragt, warum sie den diese Prozedur auf sich nehmen wollten, antworteten beide unisono, dass sie zu vollwertigen Frauen werden wollten. Der Druck ging bei einer von Mann und Schwiegermutter aus und bei der anderen hatte die Hebamme gedroht ihr bei keiner weiteren Geburt mehr zur Seite zu stehen, falls sie sich nicht verstümmeln liesse. Selbst unser Argument, dass sie bereits durch die Geburt ihrer je vier Kinder bereits eindeutig ihr «Frausein» unter Beweis gestellt hatten, prallte an ihnen ab. Wir hoffen, dass die beiden jungen Frauen sich dem Druck ihres unmittelbaren Umfeldes nicht beugen werden.
Wir verliessen Mpirrishi mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Die positive Grundstimmung seitens der Lehrer und auch der Dorfältesten lässt Hoffnung auf eine Überwindung dieser grausamen Prozedur aufkommen, allerdings ist es noch ein langer und beschwerlicher Weg vor allem aber auch aufgrund des Fehlens jeglicher lokalen Infrastruktur.


Nach einer vierstündigen Autofahrt kamen wir dann bereits bei Dunkelheit wieder in Kitengela an.

Nasaru Masai Girls Learning Center

Am nächsten Morgen dann stand unsere Reise nach Iloshon an, um dort nach unserem Projekt «Nasaru Learning Centre for Masai Girls» zu schauen. Wieder ging es vorher in die Kitengela Mall, um Dinge des Grundbedarfs, wie Seife, Waschpulver, Zucker, Salz, Öl, Binden und Toilettenpapier zu kaufen. Da wir auch dort übernachten mussten, kauften wir auch noch Matratzen, die auf dem Dach des Autos Platz fanden. Vollbepackt bis unters Dach machten wir uns dann auf den Weg nach Iloshon, wobei wir feststellten, dass sich der Zustand der Staubstrasse, zumindest bis zum Kudu Hills Projekt, merklich verbessert hatte – oder hatte sich unser Anspruchsniveau reduziert?

Wie auch immer, kurz vor dem Ziel hatten wir eine Autopanne und wurden dann vom Schuldirektor Paul gemeinsam mit Geoffrey, der den Zaun um Nasaru baut, abgeschleppt.


Auch in Iloshon hat die anhaltende Dürre ihren Tribut gefordert und viele Eltern können und wollen es sich nicht mehr leisten, ihre Mädchen ins Internat zu senden. Die Preise für das Vieh sind gefallen und den Eltern mangelt es an Geld für Essen und Wasser. Das war auch der Grund, warum wir Geoffrey, der als Maurer noch viel in der Gegend herumkommt, bereits vor einem Jahr gebeten hatten, 25 Mädchen aus anderen Gemeinden zu identifizieren, die noch ärmer als alle anderen sind und denen wir den Besuch des Nasaru Learning Centers und damit auch den Schulbesuch ermöglichen. Wir haben die Gründe dafür mit allen Mitarbeitern, von den Lehrern, der Köchin über die Hausmutter und den Wachmann besprochen. Einer der Gründe ist die Kostenstruktur, die wir mit dem Schulleiter in sehr ausführlicher Form diskutiert haben. Letztendlich konnten wir uns auf eine Kostenreduktion für die Eltern einigen. Auch haben wir die Lehrerschaft eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass sie auch für Anwerbung von Internatsschülerinnen in der Verantwortung stehen und die Eltern auf die Notwendigkeit des Schulbesuches hinweisen.

Am Abend haben wir dann geprüft, ob alle von uns unterstützten Mädchen auch tatsächlich da waren, und haben alle, bis auf eine erkrankte Schülerin, vorgefunden. Beim Kennenlernen realisierten wir, dass, bis auf wenige Ausnahmen, die Mädchen weder ihren Geburtstag und vielen Fällen auch nicht einmal ihr Geburtsjahr kennen. Beim anschliessenden Springseilwettbewerb hatten alle viel Spass.


Nachdem wir dann in unserem Schlafraum noch bis 22.00 Uhr ein Meeting mit dem Personal durchgeführt haben, waren wir sehr erstaunt und vor allem unausgeschlafen, als die Nachtruhe der Mädchen bereits um 04:30 mit viel Lärm endete.
Am nächsten Tag besuchten wir jede einzelne Klasse und verteilten Bleistifte, Kugelschreiber und Schreibhefte an alle 450 Schüler.

Der Aufenthalt war leider sehr kurz und es wäre schön gewesen, die Mädchen etwas näher kennenzulernen und mit ihnen direkt zu interagieren. Agnes hat auch unter den Bewohnerinnen von Nasaru bereits potenzielle Verstümmelungsopfer identifiziert, da den designierten Mädchen bereits im Vorfeld die beiden unteren Schneidezähne abgefeilt werden.
Auf dem Rückweg nach Kitengela zeigte uns Agnes ein Stück Land, welches sie letztes Jahr im Zuge des von WeCare durchgeführten Feeding Programms gemietet hat, und welches nun die Rehoboth Schule mit Gemüse versorgt.


Das Fazit unseres diesjährigen Besuchs: Corona hat die Lage für die Ärmsten der Armen nicht wirklich verbessert und es gibt viel zu tun. Also packen wir es an: Wir suchen Paten für unsere Mädchen, damit wir langfristig sicherstellen, dass diese Mädchen ihren Schulabschluss machen und die Möglichkeit auf eine Ausbildung über die Primarschule hinaus bekommen. Als Pate eines Mädchens besteht die Möglichkeit eine echte Beziehung zu diesem aufzubauen und ihr Schicksal zu verfolgen. Es gibt dreimal pro Jahr einen Fortschrittsbericht, einen Weihnachtsbrief vom Mädchen, den Jahresbericht der WeCare-Association und ein kleines Geschenk für unsere Unterstützer. Weitere Infos gibt es demnächst auf unserer Webseite www.wecare-association.ch und auf den Sozialen Medien Instagram (https://www.instagram.com/wecareassociation/) und Facebook (https://www.facebook.com/WeCareAssociation).
Es waren sehr anstrengende und intensive Tage, die uns unglaublich berührt und motiviert haben. Wir haben wunderbare Menschen getroffen, die es verdienen, eine bessere Zukunft zu bekommen. «Education is life”. Erst jetzt verstehe ich die Dimension dieses so viel verwendeten Schlagwortes.

Danke im Voraus für Deine/Ihre Unterstützung unter https://wecare-association.ch/aktiv-werden/.

FGM Weibliche Genitalverstümmelung

Weibliche Genitalverstümmelung – aus der Sicht einer Gynäkologin

Als Gynäkologin mit eigener Praxis bin ich zwar nicht häufig, aber doch immer wieder, mit diesem Thema konfrontiert. Infolge von Zuwanderung aus Gebieten, in denen FGM praktiziert wird, tritt Genitalverstümmelung nämlich auch zunehmend in europäischen Ländern auf.
Es ist wichtig, dass wir auf dieses Thema sensibilisiert sind und wir mehr darüber wissen, um betroffenen Frauen adäquat zu begegnen und nicht aufgrund von mangelnder Erfahrung, innerer Ablehnung und Verurteilung von FGM, Fehlreaktionen entstehen.

Deshalb hier einige wichtige Hintergrundinformationen:

Die FGM (von einigen Autoren auch als weibliche Beschneidung bezeichnet) umfasst die teilweise oder komplette Entfernung oder sonstige Verletzung der äusseren weiblichen Genitalien aus kulturellen oder anderen, nicht therapeutischen Gründen.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mindestens 200 Millionen Frauen weltweit von FGM betroffen. Man geht jährlich von 2 Millionen neuen Fällen aus, meist sind dies Säuglinge, Kleinkinder und junge Mädchen.

Historisches

Der Brauch der FGM existiert seit über 2000 Jahren.
Obwohl häufig religiöse Motive zu seiner Rechtfertigung herangezogen werden, schreibt keine Religion FGM vor. Der Brauch ist älter als das Christentum und der Islam. In den betroffenen Regionen pflegen Muslime, Katholiken, Protestanten, Animisten und Atheisten den Brauch.

Eine grosse Bedeutung haben auch soziale und kulturelle Argumente:

  • Tradition, Initiationsritus
  • Reinheitsgebot
  • Ästhetische Gründe
  • Bewahrung der Jungfräulichkeit
  • Bewahrung der ehelichen Treue
  • Förderung der Fruchtbarkeit
  • Stärkung der Gruppenzusammengehörigkeit

Dies sind nur einige Beispiele, die Liste lässt sich noch beliebig verlängern.

Geographie

FGM wird überwiegend in 28 afrikanischen Ländern südlich der Sahara und selten in einzelnen Regionen Asiens praktiziert. In Nordafrika ist Ägypten das einzige Land, das den Brauch praktiziert.

Formen der FGM

Es werden vier Formen von FMG unterschieden:

Typ 1  Sunna-Beschneidung: Ausschneiden der Vorhaut mit der ganzen oder einem Teil der Klitoris.
Typ 2 Ausschneiden der Klitoris und der inneren Schamlippen oder Teilen davon.
Typ 3 Infibulation: Entfernung der ganzen oder eines Teiles der äusseren Geschlechtsteile und Zunähen der Scheidenöffnung bis auf eine minimale Öffnung, aus der Urin und Menstruationsblut abfliessen kann. Vor Geschlechtsverkehr oder Geburt muss die Narbe wieder geöffnet werden, was zusätzlich Schmerzen verursacht. Dies ist die schlimmste Form von FGM.
Typ 4 Jede andere Prozedur, bei welcher die weiblichen Geschlechtsteile verletzt oder beschnitten werden (Anstechen, Einstechen oder Dehnen der Klitoris oder Ausbrennen oder Verätzen der Scheide).

Die Mehrheit aller Formen (80%) umfasst die Typen 1 und 2. Die Infibulation macht 15% der Fälle aus.

Durchführung der FGM

In der Regel sind es professionelle Beschneiderinnen, die den Eingriff vornehmen. In den meisten Fällen wird der Eingriff ohne Betäubung und ohne sterile Instrumente vorgenommen. Zu den Beschneidungsinstrumenten gehören Messer, Scheren, Rasierklingen, Glasscherben und Skalpelle.
In 70 % der Fälle wird FMG während der Kindheit praktiziert. In manchen Regionen kurz nach der Geburt, in anderen aber auch erst kurz vor der Hochzeit oder während der Pubertät.

Folgen der FGM

Weibliche Genitalverstümmelung hat gravierende physische und psychische Auswirkungen. Nach dem Eingriff kann es zu schweren Blutungen, Entzündungen, Tetanus, Blasenlähmung oder einer Blutvergiftung kommen, Folgen, die nicht selten tödlich enden.
Auch HIV kann über nicht gereinigte Instrumente übertragen werden.
Langfristig klagen Opfer oft über Schmerzen beim Urinieren oder während der Menstruation. Infektionen der Blase und Inkontinenz können auftreten, der Geschlechtsverkehr ist schmerzhaft und es kann auch zu Unfruchtbarkeit kommen.

Interessanter Weise bringen aber die betroffenen Frauen die Folgekomplikationen von FGM häufig nicht mit der genitalen Verstümmelung in Zusammenhang. Dies, da die FGM oft ein weit zurückliegendes Ereignis darstellt und sie dieses Problem mit den meisten Frauen ihrer Umgebung teilen («So ist eben das typische Leben einer Frau»).
Oft stehen bei betroffenen Frauen, die im Westen leben, die psychologischen Probleme im Vordergrund und die FGM kann bei den Betroffenen ein schweres psychologisches Trauma auslösen. Häufig kommt es zu einem Vertrauensbruch gegenüber der Eltern und Grosseltern. Ängste, Depressionen, Paarprobleme oder Psychosen können die Folge sein.

Rechtslage in der Schweiz

In der Schweiz ist FGM strafbar, weil es den Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt. Dies gilt auch, wenn der Eingriff auf Verlangen der Patientin ausgeführt wird.

Abschliessend möchte ich noch einmal betonen, wie wichtig es im Umgang mit von FGM betroffenen Frauen ist, dass wir nicht nur die medizinische, sondern auch die rechtliche, kulturelle und ethische Problematik erkennen. Konfrontiert mit den Folgen eines Brauchs, den die meisten von uns vehement verurteilen, zeigen wir Betroffenen gegenüber eventuell Reaktionen, die für diese eine neue Quelle der Erniedrigung darstellen können. Das Thema muss also mit grosser Sensibilität angesprochen werden, aber es soll unbedingt angesprochen werden, denn wir müssen die Töchter betroffener Frauen vor dem gleichen Schicksal schützen.

Dr. Elisabeth Lebeda – Bosshard
Gynecologist (FMH)
Dorfstrasse 5
8700 Küsnacht